Der Wandel des Journalismus im digitalen Zeitalter (Ringvorlesung am 05.12.)

Referenten: Lorenz Matzat, Matthias Spielkamp

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Am Mittwochabend besuchte ich das Kleine Haus (diesmal hatte ich auch eine Ahnung wo das ist) und war gespannt auf den Vortrag. Der Saal war noch recht leer als ich kam, aber (klischeebedienend) kamen die Politik- und Kommunikationswissenschaftler 10 nach 6 dann auch, sodass es mehr als voll wurde. Ich beschloss meinen Laptop im Rucksack zu lassen und auf den guten alten Stift und den Block zurückzugreifen – ein Fehler wie ich jetzt merke, nun muss ich nämlich alles abtippen – aber dafür habe ich dort nicht geklappert und meinen Sitznachbarn gestört.

Dies soll erst mal einen Einblick in die Art des Publikums geben – ich sprach ja von Klischees…

strickende Vorlesungsteilnehmer...

strickende Vorlesungsteilnehmer…

Im ersten Teil der Vorlesung referiert Lorenz Matzat über die Entwicklung der Technologien, auf und mit denen Medien transportiert werden. Er beginnt bei Gutenberg und dem Buchdruck und endet beim Tablet-PC, um aufzuzeigen, dass die Innovationszyklen immer kürzer werden. Ein Blick in die Zukunft führt ihn zu den Google Glasses.

Ich muss sagen, dass die ersten 10 min ziemlich flach waren: Er zeigt halt Hintergründe zur Thematik, die aber durchaus bekannt sind. Das zu erwähnen – gut – aber nicht 10 min lang Ausführungen zur Geschichte der Medientechnik. Ich hätte anhand des beeindruckenden Lebenslaufes des Referenten mehr erwartet – für einen coolen Aufhänger finde ich Google Glasses bisschen abgedroschen. Aber ich denke, das lag daran, dass ich von der Vorstellung des Referenten so beeindruckt war (hat eine Firma „Open Data“, schreibt für die „taz“ und „der Freitag“ und hat das Portal meine-demokratie.de mit aufgebaut).

Weiter führt er aus – und nun wird es wirklich spannend – wie die allseitige Produktion von Content die Journalismuswelt verändern kann. Als Beispiel nennt er ein Interview, bei dem der Interviewte via Google Glasses die Antworten von seinem PR-Berater in den Mund gelegt bekommen kann. Oder wie der Journalist via Google Glasses die Inhalte direkt ins Netz stellt – ohne Zeitverzögerung, ohne Zusatzaufwand. An diesem Beispiel kann man nun deutlich sehen wie hilflos die Verlage sind und wie hilflos sie in Zukunft dastehen werden.

Noch deutlicher wird dies an einem weiteren Beispiel: Der Produktion von Content durch Automaten. Die Firma in der USA mit dem Namen „Narrative Science“ ist in dieser Hinsicht bereits auf dem Weg zum automatisierten Content. Das Schreiben von Nachrichtenberichten geschieht durch schlaue Algorithmen statt durch die menschliche Kognition. –> Cyborgjournalisten/Roboterjournalisten

Wo geht die Reise hin? Diese Frage steht am Ende des ersten Vortrages, der einen möglichen Weg beschreibt, wo die Wege hinführen könnten.

Dieser erste Vortrag zeichnet sich wirklich durch eine steile Spannungskurve aus. Ist es am Anfang noch ziemlich flach und ich habe das Gefühl für blöd gehalten zu werden, so wird es immer interessanter und konkreter und inhaltsreicher. Die Ideen am Schluss regen die Phantasie an und bereiten Spaß beim Blick in die Zukunft!

Kommen wir zum zweiten Vortrag: Der Referent – ebenfalls mit beeindruckendem Lebenslauf – studierte in Colorado und an verschiedenen deutschen Universitäten und arbeitet unter anderem als Dozent für die Medienakademie des ARD und ZDF. Er beschreibt seine Tätigkeit in den USA, ohne visuelle Veranschaulichung aber durchaus bildhaft. Frei sprechenden Referenten hört man immer gern zu.

Er erzählt von Ideen und Visionen in den 90er Jahren, die heute teilweise bereits Wirklichkeit geworden sind. Ich kann das schlecht alles aufschreiben, weil er es so gut erzählt hat, dass ich ihm an den Lippen hing, aber nichts mitschrieb.

Wieder etwas aktueller wird er dann mit seinen Ausführungen zum aktuellen Zeitungssterben. Er wirft Fragen auf, wie: „Ist das Leistungsschutzrecht das Problem?“, „Macht Google den Journalismus kaputt?“, „Brauchen wir jetzt Gesetze gegen Google?“. Ich fand besonders interessant, dass er für mich neue Erklärungsansätze ansprach: Nicht Google ist das Problem, sondern die Finanzierung durch Werbung – also das Geschäftsmodell. Je mehr Werbung online (personalisiert) geschaltet wird, desto billiger wird es werden zu werben, das heißt, desto weniger bekommen die Website-Anbieter für eine Anzeige. Das bedeutet wiederrum, dass die Verlage auch über diesen Weg weniger einnehmen. Die Folge: freie Blogs und Twitter bestimmen die Informationsgesellschaft – oder: es gibt Änderungen im Leistungsschutz– und Datenschutzrecht.

Dann ging es noch um eine Kampagne für Jugendliche, die zum Zeitunglesen motivieren soll – wurde natürlich scharf verurteilt, denn dies gilt als falsches Signal für Jugendliche und Journalisten.

Da es nun ziemlich hin und her ging im Vortrag und der Referent ja auch keine Folien hatte – war es schwer dem Roten Faden weiter zu folgen. Aber so inhaltlich war es auf jeden Fall ein aufschlussreicher und zukunftsweisender Vortrag, der mal wieder gezeigt, wie sehr wir dem Land der unbegrenzten (Denk-)Möglichkeiten hinterher sind. Während wir hier noch über Leistungsschutzrecht streiten, entsteht in den USA wahrscheinlich gerade eine völlig neue Form der Informationsbereitstellung. Wir bleiben gespannt…

Nun folgt die Podiumsdiskussion, moderiert von Prof. Donsbach. In der Vorlesung im 4. Semester (oder so) war er mir nur unsympathisch, an diesem Abend war er mir regelrecht unangenehm – bis hin zum Fremdschämen. Aber das ist wirklich subjektiv und keine Verurteilung oder Wertung seiner wissenschaftlichen Leistung. Er sollte die Podiumsdiskussion moderieren und moderierte eigentlich nur sich selbst und seine Leistungen. Keine Frage verging ohne eine Phrase wie „also ich bilde ja auch Journalisten aus…“, „also in meiner wissenschaftlichen Karriere…“, „sehr viele Parallelen zwischen meinem Geschäft und ihrem…“, …

Ich muss zugeben, ich konnte mir das echt nicht anhören und begann einfach zu twittern… Gut, dass es das Informations- und Ablenkungsmedium Internet gibt 😉

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Über Andrea Gumpert

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